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Donnerstag, 21. Oktober 2010

Guter Staat, böser Staat

Überwachung und Eingriffe in das Leben des Menschen beginnen nicht erst bei Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchungen oder dem neuen elektronischen Personalausweis.
Schon das Ausstellen des bisherigen Personalausweises ist ein gutes Beispiel für die staatliche Verwaltung des Menschen. Der Staat erhebt sofortigen Anspruch auf jedes hierzulande von deutschen Eltern neugeborene Kind. Das Neugeborene muss wo und bei welchen Behörden auch immer gemeldet werden. Die Eltern unterliegen dem staatlichen Erziehungsauftrag. Dem Kind wird die Schulpflicht auferlegt und von Kindesbeinen an mit eigenem Pass ausgestattet. Jedoch werden seltsamerweise Dinge wie Meldepflicht, Schulpflicht, Passwesen egal in welcher Form und Erziehungsauftrag nicht als Einmischung des Staates, sondern als etwas vor- oder überstaatliches wahrgenommen. Wenn überhaupt, wird es eher in die Kategorie "Das ist eben so!" eingeordnet.
Des Weiteren ist die Privatsphäre selbst und die Definition dessen, was sie ist und wo sie aufhört vom Staat festgelegt und durchgesetzt. Sie ist das, wovon der Staat selbst festlegt, dass es ihn nicht zu interessieren hat. Man wird weder mit einer natürlichen Privatsphäre geboren, noch existiert sie "einfach so um einen herum". Der Staat hält die Privatsphäre für derart fundamental wichtig, dass er sie mit Gesetzen und einer gehörigen Portion Gewalt in Form des Justizapparates samt Polizei durchsetzt. Wir sind Privatpersonen, weil der Staat es so will! Darin begründet sich unser ganzes Recht, welches ebenfalls einen rießigen Rattenschwanz an Pflichten nach sich zieht.
Das edelste und am meisten missverstandene bürgerliche Recht ist die Freiheit. Diese hat wenig mit Wohltat, aber viel mit Armut zu tun. Es ist das Recht alle vier bis fünf Jahre zu wählen - mit dem die Pflicht einher geht, sein eigenes Elend von anderen verwalten zu lassen, und deren Befehlen und Gesetzen zu gehorchen. Zu wählen, wer den ganzen Drecksladen am laufen halten darf.
Denn die Politik, die als Sphäre der Freiheit erscheint, in keinesfalls so frei: Sie hat der Wirtschaft ihren Rahmen zu schaffen und bekommt von dieser den eigenen vorgegeben. Im Recht die Arbeitsstelle selbst wählen zu dürfen, steckt der auch der Zwang sich eine zu wählen. Wir können uns zwar aussuchen, wo wir arbeiten, aber nicht ob.
Ein weiteres Argument ist, dass die zunehmende Überwachung gar keinen verbesserten Schutz gegen Kriminalität oder Terrorismus bietet. Erst einmal lässt diese Aussage den Schluss zu, dass die Überwachung, wenn sie denn tatsächlich besseren Schutz bietet, gerechtfertigt wäre.
Überhaupt: Wäre es nicht sinnvoller, sich stattdessen Gedanken darüber zu machen, welche gesellschaftlichen Vorraussetzungen denn immer wieder Kriminalität reproduzieren und wie diese zu verändern sind? Wenn die Nöte und Zwänge, unter denen Kriminalität entsteht erkannt und abgeschafft werden, müsste man sich auch nicht darüber streiten, wie man sich vor ihr schützt! In einer Gesellschaft, in der das Überleben von Geld und Eigentum abhängt, ist es keine Überraschung, dass Diebstahl und Raub an der Tagesordnung sind. Die Strafen des Staates verhindern keine Kriminalität, sondern liefern nur den Preis, mit dem man zu kalkulieren hat. 
Der Kampf gegen den Terrorismus ist nicht vom Staat herbeiphantasiert, um damit einen Vorwand für seine praktische Rücksichtslosigkeit zu haben. Das bräuchte er gar nicht. Akte gegen den Staat und seine Gewalt stellen ihn in seiner Souveränität in Frage - und darauf reagiert er äußert allergisch! Er sieht sich nicht nur in seinem politischen Programm beeinträchtigt, sondern in seiner grundsätzlichen Existenz, in der Sicherheit seines Territoriums und in seinem Gewaltmonopol.
Die Grundlage von Überwachung und staatlicher Gewalt ist der totalitäre Anspruch des Staates, der keine Macht neben sich duldet. Dies ist kein Verrat an irgendwelchen demokratischen Prinzipien, sondern ist die Art und Weise, wie Demokratie funktioniert! Es zeigt dass der Mensch in dieser Welt nur als staatlich Zwangsverwalteter existiert.
Die Überwindung von Herrschaft und Ausbeutung kann also die einzig vernünftige Antwort auf jegliche Repression sein!

(Eigentlich ein Redebeitrag für eine Kundgebung von Linksjugend['solid], Jusos, Grüne Jugend und Piraten in Erfurt zum Thema Datenschutz, welche aber wegen schlechten Wetters vorzeitig abgebrochen wurde)

Samstag, 2. Oktober 2010

... was nicht sein darf.

Da sich vor zwei Tagen in Stuttgart zur Abwechslung einmal nicht "antidemokratische Extremist_innen" oder "Krawalltourist_innen", sondern "ganz normale" gesetzestreue und engagierte Bürger_innen eher schmerzhaft mit den eigentlich alltäglichen Zwängen und Gewalten ihrer heißtgeliebten Gesellschaftsordnung konfrontiert sahen, gibt es nun eine große Resonanz in den Medien und im Netz über Verhältnismäßigkeit von Polizeigewalt und Forderungen nach entsprechenden politischen Konsequenzen.
Die meisten Stimmen kategorisieren den Polizeieinsatz als "unverhältnismäßig brutal". "Massiver Polizeigewalt" soll eine Absage erteilt und Solidarität mit allen von "polizeilicher Repression" Betroffenen geübt werden. Vermeintlich kritischere Stimme gehen sogar so weit, dass es gar keine "unverhältnismäßige Polizeigewalt" gibt, da es dann ja auch "verhältnismäßige" gäbe - und diese existiere nicht. Sie sei "immer überflüßig, antidemokratisch, autoritär und abzuschaffen!".
Sämtliche dieser Forderungen zeugen allerdings von einer generellen Unkenntniss über staatlich legitime Gewalt und Gewalteinteilung innerhalb dieser Gesellschaft. Eine staatliche Exekutive bzw. der staatliche Gewaltmonopol äußert sich immer - egal wann, wo und in welcher Situation - in Polizei(gewalt) und militaristischer Intervention. Wie sonst sollte sie auch ihre Aufgaben ausüben? Eine Exekutive, welche auf Gewalteinsatz (in welcher Form auch immer) bei der Ausübung ihrer Aufgaben verzichtet (oder verzichten kann), macht sich (bzw. ist) überflüßig.
Polizeigewalt ist höchst demokratisch, entspricht der allgemein anerkannten und gestützten Herrschaftsordnung und dem Modell der Gewaltenteilung - und lässt sich nicht abschaffen, da dann die Polizei sinnbefreit wäre. Das ist halt Demokratie. Für alles andere (und sinnvolle) müsste mensch endlich diese scheiß Gesellschaft abschaffen. Aber die Freund_innen der Demokratie und (vermeindlichen) Freiheit beruhigen sich ja mit ihrem moralischem Lamento lieber selbst, statt tatsächlich und materialistisch zu kritisieren.

Nie wieder S21? S21 war, ist und wird ohne Ausbruch immer sein!